Udo in Wilstedt erstmals als Blinden-Laufguide
Alles begann mit einem Zeitungsartikel im November 2022. Dort stand, dass am 3.12. in Sulingen ein Seminar stattfinden wird, in dem erfahrene Läufer sich als Guides für blinde Läufer qualifizieren können. Das weckte meine Neugier, hatte ich in der letzten Zeit doch ziemlich die Freude am Laufen verloren.
Am besagten Tag machte ich mich auf den Weg nach Sulingen und war gespannt, was mich erwartete. Der Termin fand in einer Privatwohnung statt und wurde durchgeführt von Juliana Löffler und Hans-Reinhard Hupe vom Lauf- und Ausdauersport Club Eichsfeld e.V. aus Thüringen. Diesen Verein gibt es seit 2001, die sehenden und blinden Sportlerinnen und Sportler nehmen an verschieden Laufveranstaltungen teil.
Nach der sehr freundlichen Begrüßung durch die Beiden und die Gastgeberin stellten wir uns kurz vor. Die meisten Teilnehmer kamen aus Sulingen und Umgebung.
Dann begann der theoretische Teil. Worum geht es hier und wie funktioniert das Ganze eigentlich?
Der Guide übernimmt beim Lauf die Führung für den Blindrunner und muss wichtige Informationen zur Laufstrecke (Richtungsänderungen, Änderung des Untergrunds, Bordstein auf oder ab, Treppe auf oder ab) präzise und rechtzeitig ansagen. Er muss sprichwörtlich für zwei sehen und vorausschauend agieren. Hängt ein Ast tief herunter, kommt ein Auto oder Radfahrer entgegen, ist eine Pfütze auf dem Weg, sind Hunde unterwegs? So Vieles, was für Sehende selbstverständlich ist, muss dem Blindrunner mitgeteilt werden. Vergisst man es, kann es zu Stürzen o.ä. kommen.
Nach dem Theorieteil sind wir zur Sportanlage gelaufen und haben das Ganze in der Praxis geübt. Der Start war ungewohnt, aber mein blinder Laufpartner Hans-Reinhard Hupe hat es mir leicht gemacht und nach wenigen Metern hat es prima funktioniert. Nur war er mir deutlich zu schnell und ich ziemlich untrainiert, nach 2 Runden war ich ziemlich außer Atem.
Seit 2020 befindet sich das Guidenetzwerk im Aufbau. Sein Ziel ist es, Laufguides zu finden und zu qualifizieren und mit den Blindrunnern zusammenzubringen.
Nach der Teilnahme am Seminar erhält man eine auffällige Laufguide-Weste und ein Führband, mit dem die Hände von Guide und Blindrunner ziemlich eng verbunden sind und man meldet sich verbindlich als Laufguide im Portal an. Hier gibt man den Wohnort, Kontaktdaten und seine bevorzugten Strecken und Lauftempo an.
Ist man im Portal auf der Suche nach Laufguide oder Blindrunner, kann man über eine Karte die anonymisierten Daten sehen. Wenn Interesse besteht schickt man über das integrierte Formular eine Anfrage und das Guidenetzwerk stellt auf Nachfrage die Verbindung her.
So kam ich an eine Läuferin aus Langwedel und am 10. Februar haben wir unseren ersten Trainingslauf absolviert, wir liefen bei Sonnenschein von der Ueser Brücke auf dem Weser-Radweg bis Etelsen und wieder zurück. Meine Laufpartnerin ist lauferfahren und hat schon an etlichen Läufen und Langdistanz-Wanderungen teilgenommen, aber mit dem Führband ist sie noch nicht gelaufen.
Was soll ich sagen, unsere Premiere hat gut funktioniert und nach etlichen weiteren Trainingsläufen wollten wir gemeinsam beim Wilstedter Abendlauf starten. Es ist schon etwas Anderes, nur zu zweit auf einem wenig frequentierten Rad- oder Fußweg zu laufen oder in einem großen Starterfeld mit mehreren Hundert Läufern. Die Meisten von uns sind schon einmal in Wilstedt gestartet, das Flair ist schon sehr besonders und wieder einmal fand der Lauf bei Traumwetter statt.
Wir hatten uns ziemlich weit vorn in die Startaufstellung begeben und da meine rechte Hand mit dem Führband verbunden war habe ich beim Start prompt vergessen, meine Laufuhr zu starten. Außerdem musste ich nun im Läuferpulk darauf achten, dass sie nicht angerempelt wird. Das war am Anfang etwas schwierig und wir mussten erst eine Lücke und unseren Rhythmus finden. Der Lärm am Streckenrand durch die anfeuernden Zuschauer, Musikboxe oder Live-Bands ist für Sehende oft Motivation, noch eine Schippe draufzulegen.
Aber für Blindrunner ist es Stress pur, sich bei dem Geräuschpegel auf das Laufen zu konzentrieren. Kommt noch ein holpriger Untergrund und der Geruch der Fackeln dazu, muss man langsamer werden und aufpassen, nicht von hinten angerempelt zu werden. Meine auffällige Weste nahmen nicht alle wahr.
Nach der Hälfte der 1. Runde waren wir drin im Lauf und haben zwei gleichmäßige 5km-Runden in jeweils 33 Minuten absolviert und beim Zieleinlauf auf dem Sportplatz sogar noch einen Schlusssprint hingelegt und ein Pärchen vor uns überholt.
Überglücklich nach dieser gelungenen Wettkampf-Premiere lagen wir uns im Ziel in den Armen und haben anschließend noch unser mitgebrachtes Buffet und das tolle Feuerwerk genossen.