Noch einmal Berlin

(ein ganz persönlicher 1 ½ -Jahresrückblick)

Achtung! Das ist ein etwas längerer Bericht. Wer nur an Informationen zum Lauf interessiert ist, sollte an dieser Stelle zum Abschnitt „Der Lauf“ vorscrollen. Eventuelle Schreib-, Tipp- oder sonstige Fehler bitte ich zu entschuldigen.

Vorgeschichte

Als mich vor einem knappen Jahr die mail von Dirk Dahme erreichte, in der er schrieb, dass er gern einmal wieder in Berlin zum Marathon starten würde und dazu noch Mitstreiter sucht, war das der letzte kleine Anstoß, mich in die große Menge der online-Bewerber einzureihen. Da ich im Gegensatz zu meinem Namensvetter noch kein Jubilee-Club Mitglied bin, also jene Wiederholungstäter, die zehnmal oder öfter dort bereits die 42,195 km absolviert haben und damit ein Startplatz garantiert ist, musste ich auf das Losglück hoffen.

Am 30.11.2016 erreichte mich dann tatsächlich die Bestätigung zur Teilnahme am 44. BMW Berlin Marathon. Einerseits war ich natürlich hoch erfreut, andererseits aber auch durchaus von ein paar Zweifeln geplagt, ob das denn gut gehen wird.

Wie sicherlich der eine oder andere weiß, befand ich mich zu dieser Zeit in einer doch recht speziellen und für mich völlig ungewohnten Situation.

Ich hatte mir im Frühjahr 2016 beim Start zum Nienburger-Spargellauf über 5000m eine heftige Verletzung zugezogen. Die Quadrizepssehne des musculus femoris (das ist der Teil im Oberschenkel, der bei Läufern üblicherweise recht schick ausgebildet ist) war mir ca. 10 cm über dem Knie aus dem Muskel herausgerissen.

Eine äußerst seltene Verletzung, wie mir von allen Ärzten immer wieder bescheinigt wurde.

Nach nicht ganz einfacher OP, waren Krücken, Bewegungsschiene, Physiotherapie und schließlich doch noch ambulante Reha mit anschließendem IRENA-Programm im Klinikum Links der Weser angesagt. In dieses erweiterte REHA-Programm fiel also meine Zusage zum Berlin-Marathon.

Als ich noch vor der REHA meinen Arzt befragte, ob ich denn wieder Marathon laufen könnte, war die Antwort: „Na ja, Sie können doch auch zufrieden sein, wenn es noch mal zum Halben reicht.“

Das war jetzt nicht gerade eine klare Bestätigung. Auch mein Physiotherapeut im Krankenhaus in OHZ der selbst Läufer ist, ließ sich nur soweit zu einer Aussage hinreißen, dass ich mich „beim Laufen erst mal wieder ganz Hinten anstellen müsste“.

Es gab nun aber einen besonderen Grund für mich 2017 unbedingt noch einmal in Berlin zum Marathon starten zu wollen. Ich bin dort 1997, also vor genau 20 Jahren meinen ersten Marathon gelaufen. Ein, wie mir sicherlich jeder Marathoni bestätigen kann, unvergessliches Erlebnis. Damals reichte meine Vorstellungskraft nicht soweit, 20 Jahre später immer noch die Strecke bewältigen zu können.

Die Ausgangslage letztes Jahr im November war nun nicht gerade berauschend. Zunächst musste ich generell erst einmal wieder „rund“ laufen. Ich höre heute noch die Rufe hinter mir, wenn ich beim Lauftreff auf der 10km Runde den Einen oder Anderen überholte: „Mensch, das sieht ja mächtig eckig aus! Mach bloß langsam!“ Aber es ging irgendwann immer besser, so dass ich Ende Mai zum Spargellauf in Nienburg (diesmal 10km) antreten und erfolgreich laufen konnte. Für Juni hatte ich, für meinen ausgefallenen Start beim Himmelswegelauf 2016, die Zusage vom Veranstalter (Waldemar Cierpinsky) zu einem Freistart für 2017 bekommen. An einen Marathon war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht zu denken.

So lief ich denn zusammen mit Jutta und Michael Grix den auch sehr schönen Halbmarathon. Mit meinem 10. Platz in der Gesamtwertung war ich seinerzeit auch mehr als zufrieden. Zumal ich schon seit April mit einer recht schmerzhaften Kapselentzündung in der rechten Schulter zu kämpfen hatte und sogar 3 Wochen krankgeschrieben war, weil nichts mehr ging.

Etwa zu diesem Zeitpunkt erfuhr ich von Dirk Dahme, dass aus seinem Start in Berlin wohl nichts werden würde, was ich sehr bedauerte.

Nachdem ich mich im Urlaub komplett vom Laufen zurückgezogen hatte fing ich dann doch wieder vorsichtig an. So ganz hatte ich Berlin auch noch nicht abgeschrieben, auch wenn die Entzündung der Schulter nun auf die linke Seite umgezogen war. Zum 1. Weyher Orstsschildlauf, der hervorragend in meine Vorbereitung gepasst hätte, gesellte sich dann bei mir noch eine ziemlich zähe Erkältung (über 6 Wochen), so dass ich den „WOSL“ nur auf dem Fahrrad absolvieren konnte. Aber wenigstens beim jährlichen (und auch in diesem Jahr wieder wunderschönen) Wattlauf von Dunen nach Neuwerk und zurück konnte ich mitmachen.

Für eine „vernünftige“ Marathonvorbereitung fehlten mir aber schon zu diesem Zeitpunkt etliche Kilometer. Immerhin hatte ich es zumindest 2mal am Wochenende geschafft 35km in ruhigem Tempo zu Laufen. Nach Peter Greif (für mich immer noch der deutsche Marathonpapst schlechthin) sind ja 3 Läufe über 35km an 3 aufeinanderfolgenden Wochenenden plus mindestens 2 Läufen in der Woche das absolute Minimum.

Ich habe ihn noch 10 Tage vor Berlin angerufen und gefragt, ob es nicht doch in meinem Fall sinnvoll wäre eine Woche vorher noch einmal die 35km in ruhigem Tempo zu laufen. Vor einigen Jahren hat er diese Einheit aus seinen Plänen gestrichen. Er hat mir (obwohl ich bisher kein Greif-Club Mitglied bin) tatsächlich auf meine Frage geantwortet. Die erste Antwort lautete: „Vergiss es! Du wirst nach hinten raus so in die Knie gehen, lass es. Lauf später.“

Als ich ihm sagte, dass ich da jetzt nichts in Aussicht hätte und mir im Moment auch nichts daran liegen würde, fragte er dann: „Und Du willst wirklich in Berlin laufen?“; „Ja!“; „Dann mach es, versuch noch einmal die 35km und hau rein! Viel Glück!“. Das war es, was ich hören wollte!

Die 35km habe ich nicht geschafft. Nach 21km war ich platt und enttäuscht und meine Zweifel größer denn je. Am Mittwoch lief ich noch einmal 5km in meinem nun doch etwas nach unten angepassten Zieltempo von 5:10 min/km.

Vor dem Lauf (Freitag/Samstag)

Am Freitag um 13:00 Uhr verließ ich pünktlich mein Büro um ganz entspannt nach Berlin zu fahren und schon mal meine Startunterlagen abzuholen, so wie vom Veranstalter empfohlen, denn für Samstag wären unter Umständen große Wartezeiten einzuplanen. Diese Wartezeiten ereilten mich nun auf der A2. Es war ja schließlich Freitag.

Die Ausgabe der Startunterlagen erfolgte in diesem Jahr zum ersten Mal in der Innenstadt, statt wie bisher auf dem Messegelände. Das schönere Ambiente und die Nähe zum Start/Ziel-Bereich wurde angepriesen. Ich ließ mich also von meinem Navi durch die Innenstadt leiten und hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Der Lützowplatz sei wegen Unfall gesperrt hieß es im Radio. Irgendwann merkte ich dann, aha, ich muss wohl über den Lützowplatz. Es war eigentlich gar nicht mehr weit bis zum meinem Zielpunkt und ich wäre auch gern ausgestiegen und zu Fuß weitergegangen, aber an einen Parkplatz war nicht zu denken. Irgendwann tauchte dann neben mir der Veranstaltungsleiter Mark Milde (kannte ich aus dem Fernsehen) auf seinem Fahrrad auf. Ok, denke ich dann bin ich wohl bald da. Und tatsächlich fuhr ich kurz danach an der Messehalle vorbei. Jede Menge Leute mit blauen Beuteln davor. Nur ein Parkplatz für mich war weit und breit nicht zu sehen. Schließlich stellte ich mich, nach Erkundigung bei einem Ordner, auf einen Parkplatz vom benachbarten Technik-Museum. Worauf natürlich sofort ein Museumsmitarbeiter mich darauf aufmerksam machte, dass ich dort nur parken könnte, wenn ich ins Museum wollte. Nach kurzer Diskussion durfte ich schließlich doch parken, sollte aber spätestens in 2 Stunden wieder da sein. Das machte mir Angst! Ich wollte doch eigentlich nur schnell meine Startnummer holen. Sollten drinnen weitere Staus auf mich lauern? Es war zwar ein ganz schönes Gewusel aber Messebesucher und Teilnehmer wurden rechtzeitig getrennt und so wurde ich ähnlich wie beim Check-in auf dem Flughafen zur Nummernausgabe gelotst. Zuerst Armband, dann Beutel und zum Schluss Startnummer und Chipkontrolle, nach vorzeigen eines Ausweises mit ganz kurzem Schlenker über die Messe war ich 15 min später wieder am Auto. Nach weiteren 90 min (also nach insgesamt 7 1/2 Stunden z.T. nerviger Autofahrt) war ich dann endlich bei meinen Eltern, von wo aus ich, wie vor 20 Jahren am Sonntag zum Start nach Berlin aufbrechen wollte.

1997 war ich übrigens ohne Voranmeldung auf „gut Glück“ nach Berlin gereist um zu schauen, ob ich mich vielleicht noch nachmelden konnte. Damals erwartete mich bei der Nachmeldung eine riesige Warteschlange in die ich mich noch gar nicht richtig eingereiht hatte, als mich schon jemand von hinten ansprach, ob ich einen Startplatz bräuchte. Er selbst wäre krank und hätte einen abzugeben. So marschierten wir zusammen an der ganzen Schlange vorbei zur Ummeldung. Heute absolut unmöglich.

Nach meiner aktuell gewonnenen Erfahrung zum Berliner Autoverkehr – jede Menge Staus, keine Parkplätze, dafür Baustellen – verlief die Nacht auf Samstag dann auch sehr unruhig. Erste Anzeichen für eine Migräneattacke, wie vor 3 Jahren am Abend vor dem Start zum Himmelswegelauf, machten sich bemerkbar. Nach 3 Stunden Schlaf war die Nacht für mich vorbei und es kamen mir langsam Zweifel auf, dass es noch einmal so funktionieren sollte wie vor 20 Jahren:

Nach dem Frühstück war ich damals zunächst die 12 km bis zur Autobahn durch eine derart dichte Nebelwand gefahren, dass ich glaubte nie anzukommen. Als ich dann aber doch auf die Autobahn auffuhr hatte ich das Gefühl in einen Tunnel gefahren zu sein. Die Fahrbahn selbst war frei und darüber eine dichte Dunstglocke. Die Magie war perfekt, als dann irgendwann auch noch die Sonne orangerot über der Autobahn aufging, ich auf die Straße des 17. Juni fuhr und mich in eine Parklücke stellte, die scheinbar nur auf mich gewartet hatte.

Ok, ich zeigte Nerven, selbst die Option eine der etwas außerhalb liegenden S-Bahnhöfe anzufahren, dort hoffentlich einen Parkplatz zu erwischen und mit der Bahn zum Start zu fahren, erschien mir nicht sonderlich zuverlässig. Zumal ich ja auch irgendwie wieder zurück musste und zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht mehr so frisch sein sollte. Noch vor dem Frühstück suchte ich mir über Google Maps ein paar Hotels heraus, um dort in einem Anfall von Optimismus nach einer eventuellen Übernachtungsmöglichkeit zu fragen. Der zweite Anruf war tatsächlich schon ein Treffer. Glück muss man haben! Das Cityhotel in der Leipziger Straße (Nähe Gendarmenmarkt) kam mir sehr entgegen. Mein Arbeitgeber hatte mich nämlich mit anderen Mitstreitern für Samstagnachmittag in das Berliner Büro zum „Carboloading“ (früher hieß das Nudelparty) nur 3 Minuten entfernt vom Hotel eingeladen.

Die Fahrt nach Berlin verlief dann trotz dichtem Verkehr ohne große Staus, mein Auto konnte ich für 7€ am Hotel abstellen. Da mein Zimmer noch nicht bezugsfertig war, begab ich mich also zum „Carboloading“ um meine Energiespeicher noch mal so richtig aufzufüllen. Das klappte auch alles hervorragend. Zum Fototermin kam ich zwar leider zu spät, aber das Essen und die netten Gespräche mit Kollegen, die ich bisher nicht kannte, waren eine willkommene Ablenkung.

Mein Zimmer war danach zwar immer noch nicht freigegeben, aber so konnte ich schon mal den Weg zum Start erkunden. Ich ging sehr gemütlich und brauchte trotzdem keine halbe Stunde. Bald entdeckte ich den Eingang zum Startbereich (so glaubte ich jedenfalls). Es war schon so einiges los am Brandenburger Tor, schließlich sollten ja die Inlineskater gleich starten und vorher noch der Zieleinlauf des Bambinilaufs (4,2km, also ein Zehntel der Gesamtstrecke) erfolgen. Auch diese Ablenkung tat gut, denn es herrschte eine sehr schöne Atmosphäre.

Inzwischen ging es auf 17:00 Uhr zu und ich holte mir in der Apotheke, gleich neben der Galerie mit den Bildern von Udo Lindenberg noch Nippelpflaster (Ja, die heißen wirklich so!) und machte mich wieder auf den Rückweg zum Hotel, um von da an nur noch die Füße hochzulegen. Am Hotel angekommen liefen gerade die ersten Inlineskater mit einem Affenzahn über die Leipziger Straße. Absolut beeindruckend! Ich schaute noch kurz zu und begab mich dann auf mein Zimmer an die weiteren Vorbereitungen für den nächsten Tag. Meine Freundin aus Studienzeiten, mit der ich eigentlich verabredet war, musste leider wegen anderweitiger familiärer Verpflichtungen absagen. Seinerzeit hatte sie mich an der Strecke und im Ziel betreut. Da ich ja nur eine Nacht gebucht hatte und nur auf mich selbst gestellt war musste ich meine Sachen soweit sortieren, dass am nächsten Morgen alles reibungslos im Auto verstaut und nach dem Ziel einigermaßen griffbereit lag. Nur meinen Autoschlüssel wollte ich wie immer mitnehmen. Dabei kam mir die seit einiger Zeit gängige Variante des Notschlüssels, der ja nur noch ein etwas stabilerer Aluminiumhaken ist sehr entgegen. Ich konnte ihn perfekt in die kleine Tasche meiner Laufhose klemmen und fand somit noch Platz für mein Energy-Gel Päckchen.

Die Nacht verlief erwartungsgemäß wieder mit wenig Schlaf. Bedenken hatte ich nur, weil dies ja nun schon die zweite „schlaflose“ Nacht war. Bemerkenswert, wie hell es doch die ganze Nacht über in Berlin ist. Außerdem lag ein ständiges gleichmäßiges Geräusch über der Stadt, an das ich mich nur schwer gewöhnen könnte.

Immer noch vor dem Lauf (Sonntag)

Kurz nach 6:00 Uhr entschloss ich mich schließlich mein Bett zu verlassen und die Dusche aufzusuchen.

Ab 6:30 Uhr war bereits der Frühstücksraum geöffnet. Die diensthabende Kellnerin sagte mir, dass sie normalerweise erst um 7:00 Uhr anfängt, aber zum Marathon macht sie das auch gern eine halbe Stunde eher. Ich treffe auf zwei an ihrem Outfit und ihrer Sprache erkennbare Läuferinnen aus Dänemark, sowie eine Familie aus England, wo der Vater an den Start gehen will. Wir unterhalten uns noch kurz und wünschen uns gegenseitig viel Glück.

Pünktlich um 8:00 Uhr hatte ich all meine Sachen im Auto verstaut, meine Laufkleidung, sowie meinen nun auch schon mehr als 20 Jahre alten Lieblingspullover nebst alter Jogginghose angelegt. Eine Banane, sowie Wasser und meinen Schwamm nahm ich in einem kleinen Plastikbeutel mit.

Als ich am Hinterausgang des Hotel Adlon vorbeikomme, meine ich Anna Hahner zu entdecken, die sich gerade die Schuhe zubindet. Sicher bin ich mir nicht, da sie mir den Rücken zukehrt. Da mich der Hotelportier und jemand von der Security recht energisch (ob meines doch etwas heruntergekommenen Outfits) anschauen, gehe ich weiter.

Der von mir am Vortag identifizierte Eingang zum Startbereich erweist sich als Zuschauereingang. Ich sollte mich zum Start auf die andere Seite der „Straße Unter den Linden“ begeben.

Das ging jetzt nicht mehr ganz so zügig, denn es waren Massen, die sich in diese Richtung wälzten.

Nachdem ich mich durch dieses Nadelöhr am Brandenburger Tor gekämpft hatte, war zunächst erst einmal wieder etwas mehr Luft, wobei diese, dank der vielen Dixi-Klos, ihr ganz eigenes Aroma hatte.

Aha, das ist ja wohl die berühmte „Beliner Luft“, denke ich mir!

Schließlich erreiche ich die Schleuse zum eigentlichen Startbereich, welche sehr breit und großzügig auf der Wiese zum Berliner Reichstag angelegt war. Von dort aus muss ich nun nur noch meinen Startblock erreichen. Der liegt relativ weit vorn, da ich mich mit unter 3:15 h als Bestzeit vom Bremen-Marathon 2015 anmelden durfte. Vor dem Zugang zum Block finde ich eine freie Bank mit Blick auf den Großbildschirm auf dem gerade die Handbiker und Rollstuhlfahrer starten.

Ich schaue auf die Uhr und pumpe, wie immer 15 min vor dem Start, einen halben Liter Wasser in mich hinein (die Banane hatte ich schon etwas vorher vertilgt).

Kurz danach wird der erste Staffelläufer auf die Reise geschickt. Es sind noch 10 min zum Start. Ich verabschiede mich von meinem Lieblingspullover und versuche in meinen Block zu gelangen. Es ist sehr eng und ich stehe direkt an der Bühne, auf der Hajo Seppelt (der deutsche Antidopingexperte) gerade noch ein Interview gibt. Ich schaue auf meine Uhr, das GPS-Signal hatte ich mir diesmal schon etwas früher eingefangen, alles ok.

Der Lauf (Sonntag)

Es ist sehr laut, ich bekomme nicht mit, dass sich meine Uhr schon wieder vom GPS-Signal verabschiedet hat. Es ist 9:15 Uhr der Startschuss fällt. In letzter Minute gelingt es mir die GPS-Verbindung wiederherzustellen. Es dauert dann doch noch ein wenig, bis sich die Masse in Bewegung setzt. Schon etwas bevor ich die Startmatte überlaufe, starte ich meine Uhr.

Es geht los! Ich laufe wirklich wieder in Berlin!

Nach ca. einem Kilometer, so an der Siegessäule merke ich, wie ich anfange zu schwitzen. Das kenne ich ja gar nicht von mir. Normalerweise bin ich bei diesem Tempo erst nach 8-10 km auf Betriebstemperatur. Mir wird klar, dass ich auf das dünne, enganliegende „Untendruntershirt“ doch besser verzichtet und stattdessen wie fast immer nur im Achselshirt an den Start gegangen wäre. Es hatte die ganze Nacht über immer wieder geregnet und die Menschenmassen produzierten nach meinem Empfinden eine Wärme, die doch sehr an eine Waschküche erinnerte. Halleluja, das kann ja was werden, denke ich und horche erst einmal weiter in mich hinein. Die erste Verpflegungsstelle lasse ich rechts liegen. Ich hatte mir ja genügend Flüssigkeit vor dem Start eingeholfen. Ich versuche ein bischen von der Strecke mitzubekommen und laufe auf den Friedrichstadtpalast zu. Es ist immer noch ziemlich eng und ich werde zwar einerseits von etlichen Läufern überholt aber andererseits tanzt mir auch immer einer vor der Nase herum und ich muss höllisch aufpassen niemandem in die Hacken zu treten. Auch das ist für mich ungewohnt. Erschwerend kommt hinzu, dass mir seit Km 2 bereits die Brille permanent beschlägt. Mir wird immer wärmer und ich denke darüber nach, wie ich denn mein Muskelshirt loswerden könnte. Durch meine blöde Schulter bekomme ich das z.Z. immer nur nach einigem Kampf und Schmerzen hin. Ich überlege einen Zuschauer zu bitten, um mir zu helfen. Dann müsste ich es aber wegwerfen, mir in die Hose klemmen oder ständig in der Hand mit mir rumtragen. Alles Optionen, die mich nicht so richtig begeistern.

Ich bin froh meinen Schwamm dabeizuhaben um mir immer wieder den Schweiß von der Stirn wischen zu können, damit er mir nicht noch in die Augen läuft. Das brennt dann immer so.

Mir kommt die Kolumne von Dieter Baumann in der letzten Runner‘s World in den Sinn:

„Ja, doch, der Kopf läuft mit. Aber benutzen Sie ihn so wenig wie möglich! Denken Sie nichts. Wer viel darüber nachdenkt, ob es gut läuft, schlecht läuft und warum, der kommt in keinen Flow. Flow entsteht, ohne sich Gedanken zu machen“

Inzwischen laufe ich auf Km 10 zu und entschließe mich nach einem Becher Wasser zu greifen. Erst einen winzigen Schluck, dann vorsichtig etwas über den Kopf. Ich bin durch das Gewusel am Versorgungsstand zwar kurz aus dem Rhythmus aber nach wenigen Schritten wieder in der Spur. Inzwischen haben mich die Pacemaker für die 3:30 h Zielläufer überholt und es ist wieder irre eng. An einer etwas breiteren Stelle laufe ich dann zu den Pacemakern auf und unterhalte mich kurz mit einem von ihnen. Ich will wissen, welcher Bestzeit es denn bedarf, um als 3:30 h Läufer zu starten. Seine Bestzeit liegt bei 3:08 h. Ein wenig bin ich erstaunt, weil ich mit einer größeren Differenz gerechnet hätte. Immerhin müssen sie ja auch noch diese Fahnen in ihrem Rucksack transportieren. Aus Platzgründen positioniere ich mich erst einmal ein wenig vor dieser Gruppe. Inzwischen erreiche ich Km14, also das erste Drittel und horche wieder in mich hinein. Kräftemäßig fühlt es sich immer noch gut an. Die Stimmung an der Strecke ist sagenhaft, obwohl es schon seit einiger Zeit ganz ordentlich regnet. Der Regen dringt aber noch nicht soweit durch mein Shirt, dass es irgendwie kühler werden würde. Auch der Wind ist recht schwach und ich freue mich über jeden kleinen Windhauch, der mich erreicht.

Ab Km15, an der nächsten Versorgungsstelle, fange ich an, mich richtig zu wässern und endlich habe ich das Gefühl, es tut sich was. Jetzt die Halbmarathonmarke „entspannt“ erreichen, dann wird’s am Ende ja vielleicht doch nicht ganz so hart, denke ich und laufe weiter, immer wieder wenn es möglich ist auf den 3 blauen Streifen. Vor mir läuft schon seit einiger Zeit im selben Rhythmus eine auf Grund ihres pinken Shirts und der neonfarbigen Hose recht markante junge Frau. Wie sich später herausstellt ist sie aus England, wie überhaupt um mich herum und auch von den Zuschauern sehr viel englisch geredet wird.

Ich versuche gleichmäßig weiter zu laufen. Lasse mich von der Musik, die alle paar Minuten eine andere aber immer präsent ist einfach tragen und hole mir eine Endorphindusche nach der anderen ab. Die Zeit interessiert mich fast gar nicht mehr. Zuletzt habe ich bei Km3 auf meine Uhr geschaut. Mein grobes Ziel ist, gegen 13:00 Uhr am Ziel zu sein. Denn länger als 3:45 h traue ich mir nicht zu, vernünftig laufen zu können. Und das ist mein Ziel heute, durchlaufen und einigermaßen in Würde ankommen!

Die Halbmarathonmarke nehme ich froh zur Kenntnis, erkenne zwischendurch das Rathaus Schöneberg und passiere Km25. Ich konzentriere mich darauf auch noch das 2. Drittel einigermaßen ohne großen Kampf zu Ende zu laufen um mich auf das Schlimmste gefasst zu machen. Mein erstes Päckchen Energie Gel, was ich bis Km17 in der Hand trug, habe ich planmäßig eingenommen. Bei Km27 sollte dann noch einmal am Versorgungsstand Gel gereicht werden. Ich fiebere so langsam dieser Marke zu und überlege sogar kurz meine Sicherheitsration noch vorher aufzubrauchen. Schließlich wird mir doch endlich ein Päckchen zugereicht. Ich greife sofort zu. Etwas später erwische ich noch einmal ein etwas anderes Päckchen mit Cola Geschmack. Ich hebe mir dieses noch bis zur nächsten Wasserstelle auf, da es doch arg süß aussieht. Die Pacemaker sind immer noch hinter mir, was ich aus den Stimmen der Zuschauer entnehme, denn ich höre immer wieder „3 Stunden dreißig“.

Die 30km Marke nehme ich nicht mehr wirklich war, ich konzentriere mich inzwischen darauf, den „Wilden Eber“ bei Km35 zu erreichen und bin längst im Tunnel angekommen. Das Wasser läuft mir aus den Schuhen, egal, dafür stimmt meine Betriebstemperatur. Ich merke gar nicht, dass mich irgendwann die Pacemaker dann doch überholen.

Kein böser Mann mit Hammer, sondern immer wieder Anfeuerungsrufe von der Strecke, immer wieder Trommeln und irgendwann ein irres Pfeifkonzert, was mir für gefühlte 5 Minuten eine Gänsehaut beschert. Egal wie, jetzt muss ich sowieso zu meinem Auto am Hotel zurück und das ist fast der kürzeste Weg. Ich helfe mir mein letztes Gel ein, das Red Bull bei Km36 lasse ich weg. Jetzt keine Experimente mehr, ich laufe einfach, freue mich über jede dieser großen runden Uhren am Straßenrand die mir anzeigt, lange muss ich nicht mehr, denn um 13:00 Uhr bin ich ja im Ziel, logisch. Und endlich erreiche ich tatsächlich mein Hotel. Nein, jetzt abzubiegen und auszusteigen wäre ja wohl bekloppt. Wobei mir einfällt, dass mir die letzten 2km vor 20 Jahren am meisten zu schaffen gemacht haben. Irgendwie war ich damals so drauf, „Na bei 40 biste doch da“. Das versprochene Glücksgefühl hat mich daraufhin seinerzeit im Ziel auch erst ziemlich zeitverzögert erreicht.

Auch diesmal muss ich natürlich kämpfen, zumal ich dachte von der Leipziger Straße nur noch 3mal links um die Ecke biegen zu müssen. Nein, es sind 4 Ecken bis „Unter den Linden“. Bei der vierten denke ich nur, da vorn muss es jetzt aber sein. Ich laufe um die Ecke und ja, es steht vor mir. Das Tor! Ich kann es kaum glauben. Einen Schlussspurt brauche ich heute nicht. Ich feiere, laufe hindurch und feiere weiter. Laufe durch das Ziel schaue auf meine Uhr, sehe 3:33:33 h und drücke drauf. Diesmal ist es sofort da, das Glücksgefühl, schon die letzten 600m.

Damals war ich stolz die 42,195 km mit 2:53:31 h deutlich unter 3 Stunden absolviert zu haben.

Heute bin ich einfach nur glücklich!

Ich lasse mir die Medaille umhängen und bekomme einen blauen Plastikumhang.

Arrival (immer noch Sonntag)

Man muss natürlich auch immer wieder vom Berg herunter, wenn man mal draufgeklettert ist und so erwartet mich der hoffentlich geordnete Rückzug. Es gab in diesem Jahr eine Neuerung, so werden im Ziel zum Test erstmals Ponchos ausgegeben. Man konnte dies bei der Anmeldung als Option auswählen. Da ich längst nicht mehr wusste, was ich seinerzeit angekreuzt hatte, war ich hoch erfreut am Freitag kurz vor meiner Abfahrt festzustellen, dass ich zu denen gehörte die einen Poncho im Ziel bekommen sollten, denn ich hatte Angst mich zu verkühlen. Die andere Option war die Kleiderbeutelabgabe, was in der Regel Wartezeiten bei der Abgabe und beim Empfang nach sich zog.

Die Bedenken waren unbegründet, denn als ich durch diesen Bereich lief, waren weder beim Aushändigen der Ponchos noch bei den Kleiderbeuteln längere Schlangen zu sehen. Es waren allerdings ja auch erst ca. 20% im Ziel.

Ich ließ mir noch ein alkoholfreies Bier aushändigen, wackelte langsam in Richtung Ausgang und ging am Reichstag vorbei in die Richtung, wo ich mein Auto vermutete. Ich musste natürlich einen größeren Bogen laufen als auf dem Hinweg, da ja noch genug Läufer auf der Strecke waren und ich nicht überall die Strecke kreuzen konnte. Vorbei am Hauptstadtstudio der ARD, wo ein Übertragungswagen am anderen steht (Ach ja, es ist ja auch noch Bundestagswahl!) gehe ich auf das ehemalige Außenhandelszentrum der DDR in der Friedrichstraße zu. Unterwegs begegne ich immer wieder Leuten, die mich angesichts meines Aufzugs (Glitzerponcho aus dem unten nackte Beine herausschauen dazu ziemlich fertig und einen Plastikbecher mit Bier in der Hand) amüsiert ansehen und mich dann aber doch freundlich beglückwünschen. Schließlich erreiche ich mein Auto, gehe in Toilette des Hotels und lege mich trocken.

Duschen in Hotel war leider doch nicht mehr möglich. Ich esse etwas, schaue den anderen Läufern zu, die jetzt vorbeilaufen. An der Rezeption suche ich auf der Karte nach einem geeigneten Weg aus der Stadt und finde ihn tatsächlich. Komme auch ohne Probleme heraus und fahre eine Zeit lang einem Auto mit Nienburger Kennzeichen hinterher. Erreiche über A100 und A115 die große Baustelle auf dem Berliner Ring ohne Stau und biege auf die A2 in Richtung Hannover ab. Der angekündigte Stau vor Magdeburg löst sich als ich ankomme auf und selbst am Dreieck Walsrode komme ich auf wundersame Weise trotz Warnung ohne Stopp vorbei. Ich fahre auf die A 27 und es im Radio läuft „Eagle“ von ABBA. Ich habe einen Kloss im Hals, kämpfe kurz mit den Tränen… und lass es laufen. Sieht ja keiner.

…High, high, what a feeling to fly
Over mountains and forests and seas…

Als ich auf den Hof fahre läuft „Arrival“.

Kleine Schlusspointe (Montag)

Am Montag will ich natürlich dann irgendwann im Internet meine tatsächliche Endzeit, Platzierung, Altersklassenplatzierung usw. nachschauen und mir meine provisorische Urkunde ausdrucken. Worüber ich mich echt freue, dass ich letztendlich für die zweite Hälfte der Strecke nur 2 Sekunden mehr benötigt habe, als für den ersten Teil. Das ist im Schnitt ca. eine zehntel Sekunde langsamer pro Kilometer! Aus Interesse recherchiere ich noch kurz, ob denn jemand Bekanntes aus Nienburg am Lauf teilgenommen hat, da ich ja noch in Berlin bei der Rückfahrt das Auto mit dem Nienburger Kennzeichen vor mir hatte.

„Nienburg“ im Suchfeld für Club ergibt aber keinen Treffer. Ich probiere, ob das Suchfeld überhaupt mich findet, wenn ich „Weyhe“ eingebe und bin dann doch etwas platt 3 Treffer zu landen!!!

Julia und Melanie vom WLT sind auch durchs Ziel gelaufen. Da ist wohl in der letzten Zeit etwas an mir vorbeigegangen. D.h. ich muss jetzt doch wieder öfter Mittwoch und Freitag bzw. Samstag beim Lauftreff vorbeischauen oder mir meine „Social-Media-Network-Phobie“ therapieren lassen.

Auf jeden Fall auf diesem Wege schon mal meine herzlichen Glückwünsche zum Finish an die Beiden!

Schlusswort

Natürlich weiß auch ich, dass es deutliche schlimmere Krankheiten, Unfälle und Schicksalsschläge gibt als meine Verletzung im letzten Jahr. Ich bin auch kein Profi der sein Leben auf dem Sport aufgebaut hat und eventuell noch eine Familie damit ernähren muss.

Trotzdem ist es nicht immer leicht, wenn einem von heute auf morgen ein ganzes Stück Lebensfreude, verwehrt wird. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mir auf diesem Weg geholfen haben:

Herrn Dr. Mösta meinem Arzt in Oslebshausen

Herrn Dr. Neudeck im Krankenhaus in Osterholz, der mich wieder so sauber zusammengenäht hat. Die Sprechstunden bei ihm waren trotz der „Malesche“ immer sehr amüsant und aufbauend.

dem Krankenhaus in Osterholz und dort insbesondere der Station 5

der Physiotherapie „Physio Active“ in Leeste, bei Michaela Feldmann und Jessica van Hoorn

dem Reha-Zentrum im Klinikum „Links der Weser“ in Bremen

beim Weyher Lauftreff – Euer Krankenbesuch hat mir seinerzeit sehr gut getan!

und natürlich bei meiner Familie und ganz besonders bei Dir K.

Ich wünsche allen Teilnehmern und Helfern vom Weyher Lauftreff am nächsten Wochenende beim Bremer Marathon viel Erfolg und bleibt gesund!

Dirk H., Weyhe den 29.09.2017

Bericht & Bilder Dirk H.

Eingestellt: Daniel

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